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Die Feinregulation unseres Körpers

Ein Blick hinter die Kulissen

Unser Leib ist unübertrefflich im Bio-Feedback: In jedem Augenlick gibt unser Sensorium Rückmeldung über das Hier (unseren Körper) und das Jetzt (unsere Gegenwart). Das autonome Nervensystem arbeitet unabhängig von Willkür und Bewußtsein und wird grob eingeteilt in Sympathikus und Parasympathikus: Zwei getrennt voneinander verlaufende Nervenstränge, die entlang der Wirbelsäule von unserem Stammhirn aus zu den verschiedenen Organsystemen unseres Körpers führen (z.B. zu Gefäßen, Drüsen, Verdauungsorganen, Herz-Kreislauf- und Bewegungssystem). Das autonome Nervensystem hemmt oder aktiviert diese Organsysteme. Bei „Störungen“ wirken Blockierungen der Wirbelsäule als „Bausteine der Erstarrung“ (tonische Immobilität) und führen daher häufig zu Muskelverhärtung und funktionellen Störungen.

Ob plötzliche Gefahr oder schlechtes Gewissen, akuter Schmerz oder Genervtsein – jede Störung des Wohlbefindens bedeutet im ersten Moment immer gesteigerte Aufmerksamkeit (Stress) und in unserem Körper vollzieht sich eine Kaskade komplexer Reaktionsprozesse. Schreckreaktionen geschehen in Bruchteilen von Sekunden – beispielsweise wenn wir eine heiße Herdplatte berühren, ein ungewöhnliches Rascheln hören oder einen unbekannten Geruch wittern. Diese Reaktionskette wird begleitet vom „Schreck“-Hormon Adrenalin, das dann vermehrt ins Blut freigegeben wird und den Sympathikus aktiviert und unterstützt.

Im Zweifel müssen wir blitzschnell in der Lage sein, unser Leben zu retten: Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, die Bronchien weiten sich, die Atmung wird schneller – so wird dafür gesorgt, daß genug Sauerstoff über die Gefäße in die Muskulatur gepumpt wird. Die Muskeln spannen sich, die Sinnesorgane „stellen sich auf“: Die Pupillen weiten sich (damit mehr Licht in die Augen einfällt und wir besser sehen), die Ohren werden gespitzt (damit wir besser hören), der Geruchssinn wird geschärft (um die Gefahrenrichtung besser zu riechen), wir sind hellwach. Die Gänsehaut, die wir bei all dem haben, entsteht durch das Aufstellen der unzähligen Haarmuskeln auf unserer Haut (denn als wir noch Fell hatten, ließ das unsere Körperoberfläche größer erscheinen, um Angreifer einzuschüchtern). Um im Kampf oder auf der Flucht durch nichts abgelenkt zu werden, sinkt die Schmerzwahrnehmung, und die Blutgerinnung wird beschleunigt, damit wir unterwegs nicht an möglichen Wunden verbluten. Für diese unmittelbaren Reaktionen brauchen wir viel Energie und zwar sofort: Sie wird als Zucker aus den Fettreserven unseres Körpers direkt ins Blut freigegeben. Insulin verteilt den Zucker schnell dorthin, wo er gebraucht wird. Aus der Muskulatur werden Proteine bereitgestellt, um den beanspruchten Muskelgruppen zügig Energie und Substanz zur Verfügung zu stellen. Auch das Immunsystem arbeitet auf Hochtouren.

Zittern für die Leichtigkeit des Seins

Von den Tieren kennen wir den Erstarrungsreflex auch als sogenannten „Totstellreflex“: Er dient dazu, Angreifer in die Irre zu leiten, denn leblos wirkende potentielle Beute läßt Krankheit oder Tod vermuten und weckt dadurch weniger Interesse. Ist der Angreifer weitergezogen, vermag das dem Tod entronnene Tier sich durch unwillkürliche Zitterbewegungen wieder zu „ordnen“ und die erhöhte Spannung zu lösen. Dadurch werden die verschiedenen Muskelgruppen reaktiviert, damit das Tier nach dem Schock geschmeidig weiter seines Lebensweges gehen kann. Diese Fähigkeit neuromotorischer Erleichterung ist den meisten Tieren gegeben und ein wichtiger Teil der Selbstregulation. Man spricht von Fazilitation (lat.: facilitas= Leichtigkeit, Gewandtheit und facilis=leicht beweglich, mühelos). Durch sie werden motorische Bewegungsprozesse gebahnt und gefördert (z.B. das gelöste Weitergehen nach dem Schock). Vielleicht kennen Sie das Fazilitieren vom Sport, wenn Sie bei einer Übung eine ungewohnte Position halten sollen und das Muskelzittern einsetzt. Es bedeutet neben beginnender Ermüdung auch sensomotorische Umorganisation.

Auch in anderen Stressstiuationen zittern wir – mehr oder weniger wahrnehmbar  (z.B. wenn wir übermüdet, hungrig oder überfordert sind). Wenn wir dabei unter zusätzlichen Druck geraten,  kann unsere motorische Spannungslösung vielleicht gröber ausfallen, als gewollt und wir reagieren unangemessen heftig. Ob wir es wahrnehmen oder nicht – insgeheim fühlen wir uns immer unwohl dabei. Können wir einen motorischen Impuls nicht unmittelbar beantworten, verspannen wir uns. Häufen sich „unvollendete“ Antwortreaktionen in uns, verkrampfen unsere Körpergewebe und haben eine erhöhte Erstarrungsbereitschaft.

„Stressless“: Muße, Verdauung, Regeneration

Der Parasympathikus, der für Entspannung, Verdauung, Erholung sorgt und uns regeneriert, wird bei Gefahr vom Sympathikus gehemmt, denn im Augenblick einer akuten Bedrohung ist es lebensrettender, zu kämpfen oder zu fliehen; Verdauung ist da fehl am Platz. Ist die Gefahr vorüber, läßt der Schreck langsam nach. Die Hemmung des Parasympathikus wird gelöst und er kann wieder das Ruder übernehmen. Alle Kampf- oder Fluchtorgane werden dann auf den Energiesparmodus herunterreguliert: Der Herzschlag beruhigt sich, der Blutdruck senkt sich, die Muskulatur entspannt sich. Die Verdauung kommt wieder in Gang, die Leber holt den unverbrauchten Zucker aus dem Blut und speichert ihn als energiereiche Fettreserve ein. Das Immunsystem übernimmt wieder die langfristigen Abwehrtätigkeiten und auch sexuelle Schlüsselreize können wieder Wirkung entfalten. Bei all diesem hat auch der Parasympathikus Unterstützung: Vom Hormon Serotonin, das dafür sorgt, daß wir uns entspannt und zufrieden fühlen – eine Stimmung, in der Muße entstehen kann, wir neue Inspirationen erhalten und Kreativität entwickeln.

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