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Trauma – was ist das?

Individuelle Verknüpfung: Körpergewebe und Nervenkostüm  

Trauma bedeutet ursprünglich Wunde, Verletzung, wobei sowohl Materie (z.B. Körpergewebe) als auch Gefühl verletzt werden kann – wir sprechen auch vom Nervenkostüm. Lebendiges Gewebe, das verletzt wird, bildet Narben – eine wertvolle Fähigkeit der Selbstheilung. Je kleiner die Wundfläche, desto besser die Heilung. Die Natur hat an alles gedacht, auch daß Blessuren zum Leben gehören: Mit der Geburt geht es los, ab dann müssen wir alles lernen, bis wir wieder ins Gras beißen und zu Sternenstaub werden. Was wir können müssen, müssen wir erleben, denn Aufstehen und Gehen lernt man nicht aus dem Stand, sondern von unten. Manchmal tut das auch weh, doch daran wachsen wir. Wenn wir dann wissen, wie es geht, uns etwas gelingt und wir weiterkommen, ist die Freude groß und wir trauen uns mehr.

Je positiver wir gestimmt sind, wenn wir etwas erleben, desto geringer ist der Gewebewiderstand. Das heißt, unsere Schwingungsfähigkeit ist höher, und umso leichter hat es die Regulation unserer Selbstheilung: Verspielt man sich auf einem ungestimmten Klavier, dann fällt der Fehler sofort ins Gewicht. Ist das Klavier jedoch gut gestimmt, fällt ein Verspielfehler nicht weiter auf. Oder springt man auf ein bretthart gespanntes Trampolin, wird man hart abgebremst und verletzt sich eher. Springt man auf ein Trampolin, das gar nicht oder kaum gespannt ist, passiert das gleiche: Wir werden so wenig abgebremst, daß wir ebenfalls hart aufkommen und uns eher verletzen. Es kommt also auf die richtige Spannung an: Ist sie gut ausbalanciert, werden wir weich abgefedert und bleiben so in Bewegung, daß wir uns leicht fühlen können. Ist unsere Gewebespannung nicht gut ausgewogen, sind wir anfälliger für Verletzungen.

Auch schockierende Ereignisse gehören zum Leben, aber nicht jedes schockierende Ereignis wirkt traumatisch. Erst die Verknüpfung mit subjektiv erlebten negativen Emotionen können eine „Wunde“ hinterlassen: Ein Ereignis wird nur dann ein Trauma, wenn überwältigende Emotionen eine angemessene Verarbeitung der Erinnerung stören. Wird ein Ereignis als Trauma gespeichert, dann bedeutet das immer Stress, solange es mit dem entsprechenden Gefühl verknüpft und so in der Erinnnerung verankert bleibt. Den meisten Tieren ist die Fähigkeit gegeben, sich durch unwillkürliche Zitterbewegungen nach einem lebensbedrohlichen Ereignis wieder zu „ordnen“ (motorische Lösung), um danach ohne seelisches Trauma ihres Lebensweges weitergehen zu können. Diese Fähigkeit ist ein wichtiger Teil der Selbstregulation. Auch uns Menschen ist sie inne, aber wir verlernen zunehmend, sie wahrzunehmen und wirken zu lassen. So verlernen wir auch, das, was dabei regulierend in uns geschieht, auszuhalten und kennenzulernen.

Die Ohnmachts-Falle

In einer Situation, in der wir „auf Alarm geschaltet“ sind und die mit intensiven negativen Emotionen in uns einhergeht, können wir in völliger Überforderung „am Rad drehen“ oder paralysiert erstarren und unter die Räder kommen. Alle Zeichen stehen auf Sturm, doch wir finden körperlich keinen angemessenen Ausweg. Durch unsere unbewußte Selbstregulation kommt es nach einer Weile jedoch meistens zu einer Lösung der akuten Spannung. Wenn überwältigende Emotionen eine angemessene Verarbeitung der Erinnerung stören, kann das Ereignis jedoch als Trauma gespeichert werden: In Situationen erlebter Ohnmächtigkeit verspannen sich dann Gewebe- und Muskelgruppen, die in einer früher ganz anderen, aber genauso hilflos erlebten Situation zur Abwehr oder Flucht aktiviert wurden, ohne daß die entsprechende Handlung ausgeführt wurde.

Erlebte Handlung, ob aktiv beteiligt (z.B. durch die Verwicklung in einen Unfall), oder passiv (z.B. durch das Sehen eines Unfalls) wird vom Gehirn immer „leibhaftig“ registriert. Traumatisierte reagieren auf alles, was sie an ihr Trauma erinnert, mit Reaktionen, die eigentlich für akute Notfallsituationen vorgesehen sind (Angriff oder Flucht). Durch die Verknüpfung des erinnerten Gefühls von „Bedrohung plus Ohnmacht“ mit einem aktuellen Gefühl von Hilflosigkeit erleben sie diese Situation als Bedrohung auch für ihr gegenwärtiges Leben. Was bei der Konfrontation mit der ursprünglichen Gefahr vielleicht sinnvoll war (z.B. sich schützend wegducken, fortlaufen, wütend angreifen), ist heute jedoch vollkommen unangebracht (z.B. sich wegducken, wenn eine Autohupe ertönt, oder einen Wutanfall bekommen, wenn spielende Kinder schreien). Der Körper „friert“ diesen heute unangemessenen Handlungsimpuls ein und spult ihn in einer ähnlich konstellierten Situation immer wieder ab. Häufen sich solche „eingefrorenen“ Handlungsimpulse, wird die ursprünglich schützende vorübergehende Erstarrung zur tonischen Immobilität.

Auf der Spur zur eigenen Vollmacht

Die Medien berichten täglich von Gewalt überall auf der Welt. Doch „alltägliche“ Ereignisse können ebenso gewaltig wirken, beispielsweise eine Operation oder schwere Krankheit, Verlassen werden, ein Unfall oder das Empfangen erschütternder Nachrichten. Solche Erfahrungen beeindrucken uns unterschiedlich tief, sie können uns vorübergehend stressen und mit der Zeit löst sich die Spannung wieder. Addiert sich jedoch der Stress, weil wir zwischen den Berichten und Ereignissen keine Pause davon haben, oder weil ein Ereignis von überwältigenden Gefühlen der Hilflosigkeit geprägt war. Übersteigt dieser Stress unsere individuellen Grenzen, kann er traumatisierend wirken. Unerkannt oder bei mangelnder Unterstützung kann das zu körperlichen Dysfunktionen, zu burn out oder zu einem sogenannten posttraumatischen Stresssyndrom führen. Immer wieder in Resonanz zu gehen und die Bewegung suchen – damit fördern wir unsere Resilienz und die Fähigkeit zur Differenzierung und Selbstheilung. Nur so finden wir die Spur aus der Ohnmacht hin zur Vollmacht über uns selbst.

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